ab 58 v.Chr.: Ave, Caesar!
Mit seinen Legionen erobert Caesar ganz Gallien - nun ja, mit Ausnahme eines kleinen Dorfes - und Teile Germaniens, u.a. die Eifel.
Auch hier siedeln überwiegend Kelten (= Gallier): die Treverer („Trier“) im Süden, weiter nördlich die Stämme der Caeroser, Sunuker, Talliates und Eburonen.
Finanziert aus Mitteln der imperialen Strukturförderung für den ländlichen Raum legen die Römer in den kommenden Jahrhunderten in der Nordeifel ein umfassendes Investitionsprogramm auf:
Sie schürfen in Mechernich und Kall - wie bereits die Kelten - nach Erzen, errichten am Fuß des Wackerbergs einen Steinbruch, wenige Kilometer weiter ein Aquädukt zur Wasserversorgung Kölns und den Fernwanderweg Köln-Trier (Agrippa-Straße).
Thermen in der näheren Umgebung dienen Legionären und Siedlern als Stätten der Entschleunigung, so in Tolbiacum (Zülpich), Aquae Granni (Aachen) und Augusta Treverorum (Trier).
Der geistigen Erbauung wiederum sind diverse Heiligtümer gewidmet, z.B. in Bad Münstereifel-Nöthen und in Nettersheim.
Eine Vielzahl luxuriöser Landgüter (villa rustica) rundet das freundliche Bild der römischen Nordeifel ab. Jedoch gibt es kein entsprechendes Anwesen auf dem Wackerberg, das sollte noch einmal 2.000 Jahre dauern …
1600: Die Kumpel vom Wackerberg
Die Zahl der Nebenerwerbs-Landwirte nimmt auch in der Eifel kontinuierlich ab - von »Nebenerwerbs-Bergleuten« hat schon lange niemand mehr etwas gehört. Das sah im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ganz anders aus, als der Betrieb eigener Grabungsstollen für ganze Familienclans üblich war, sozusagen als Minijob mit Pauschalversteuerung (»der Zehnte«).
Auf dem Gebiet der Gemeinde Kall wurden rund 2.000 »Pingen« entdeckt, viele davon auf und rund um den Wackerberg. Besichtigen kann man das »Bergschadensgebiet« auf einem vom Eifelverein und lokalen Touristikern vor einigen Jahren angelegten »Pingen-Wanderweg« über den Wackerberg.
Es handelt sich dabei um Schürfgruben und Mini-Stollen, aus denen Eisenerz und Blei in einer Tiefe von rund 4 Metern unter der Erdoberfläche gefördert wurde. Archäologen konnten nachweisen, dass bereits die Kelten im 3. vorchristlichen Jahrhundert auf dem Gemeindegebiet Erzabbau betrieben haben. Nach Cäsars Eroberungszügen stiegen die Römer dann im Rahmen einer »feindlichen Übernahme« in das Geschäft ein, natürlich mit verbesserter Technik. Die gesamte Eifel ist im übrigen reich an Bodenschätzen:
Um das Jahr 1600, so schätzen Historiker, stammen etwa 10% des in Europa geförderten Eisens aus dieser Region.
In Kall konnte jeder Einwohner gegen Abgabe des Zehnten nach Eisenerzen graben. Unbestätigten Berichten zufolge wurden die Vorschriften zur Arbeitssicherheit eher lasch gehandhabt, Unfälle waren an der Tagesordnung.
1923: Die Olef-Connection
Alfred Inden, Fabrikdirektor der Vereinigten Stahlwerke AG (VESTAG) in Düsseldorf, erwirbt von der Katholischen Kirchengemeinde Olef ein fast 40.000 qm großes Waldgrundstück und errichtet auf dem Wackerberg ein massives Jagdhaus.
Die Industriellenfamilie Inden stammt aus Olef am Fuß des Wackerbergs im Schleidener Tal und besaß in Urft (Gemeinde Kall) eine Metallwarenfabrik. Als Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr Betriebe die Nordeifel in Richtung Ruhrgebiet verließen, verlegten auch die Indens den Unternehmenssitz nach Düsseldorf-Lierenfeld, behielten aber ein Ferienhaus in Gemünd und damit die Verbindung in die alte Heimat.
1926: Die Eifelmaler
Während Alfred Inden wie sein Bruder Paul zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Firma weiterführten und letztlich durch Fusion in die Vereinigten Stahlwerke einbrachten, entwickelten ihre Cousins Ernst und Rudi Inden andere Talente:
Sie besuchten die Kunstakademie Düsseldorf, studierten Malerei in der Meisterklasse und zogen Anfang der zwanziger Jahre zurück nach Gemünd, wo sich sich ihren Unterhalt als "Eifelmaler" verdienten. Dankbare Abnehmer waren neben öffentlichen Einrichtungen insbesondere die "Sommerfrischler", die schon in dieser Zeit die Eifel heimsuchten und gerne ein künstlicheres Andenken von der Reise mitbrachten.
Die Diversifikation in unterschiedliche Geschäftsmodelle bei der Familie Inden - Metallverarbeitung hier, Eifelmalerei dort - sollte sich Ende der zwanziger Jahre als Glücksfall erweisen:
Nach herben Vermögensverlusten aufgrund des Börsencrashs ("schwarzer Freitag") verkauft Inden das Anwesen an einen befreundeten Düsseldorfer Unternehmer. Die bis dato eher belächelten Künstler der Familie stellen nun die Haupteinnahmequelle dar.
1935: "Arbeitsmaiden"
Das Jagdhaus ist 1933 abgebrannt, der Kreis Schleiden kauft das Grundstück zwei Jahre später und baut das Haus wieder auf - möglicherweise im Hinblick auf die weitere Nutzung für NS Organisationen. ln der Folge werden im Haus Wackerberg Mädchen untergebracht, die nach dem Schulabschluss ein Landjahr ableisten müssen ("Arbeitsmaiden").
Fast zeitgleich errichten die Nationalsozialisten oberhalb der Urfttalsperre, nur wenige Kilometer Luftlinie vom Wackerberg entfernt, die NS-Ordensburg Vogelsang. Die Anlage diente der NSDAP zwischen 1936 und 1939 als Schulungsstätte für den Nachwuchs ihres Führungskaders. Insgesamt war der Komplex bei einer Fläche von rund 100 Hektar für 1.000 Menschen ausgelegt (500 Bedienstete und 500 Gäste) inkl. Gemeinschaftshäusern, Sportanlagen und Schwimmhalle.
August 1943: Der Absturz
Nicht weit vom Haus entfernt stürzt eine B17, ein amerikanischer Bomber, auch "fliegende Festung" genannt, auf dem Wackerberg ab. Die Maschine befindet sich auf dem Rückflug von einem Angriff auf Regensburg.
Die 10 Mann Besatzung, darunter der Soldat Clifford Havercamp, können in einer Höhe von 4.000 bis 5.000 Meter abspringen.
Es existieren heute noch Fotos, die Trümmerteile zeigen. Innerhalb eines Radius von einigen hundert Metern ist jedoch nicht geklärt, wo die Überreste der Maschine zu finden sind.
März 1945: Eine Ruine mit Potential
Nach der Einnahme Schleidens durch US-Truppen verläuft die Frontlinie quer über den Wackerberg. Bei den heftigen Kämpfen wird das Haus schwer beschädigt, es ist im Grunde nicht mehr bewohnbar.
Als sich die Front Ende 1944 nähert, waren die "Arbeitsmaiden" bereits evakuiert worden, genau wie die meisten Einwohner der Eifler Höhendörfer.
1946: Der "Bitzenkönig"
Der Kreis Schleiden bringt - zunächst provisorisch - einen Vertriebenen in der Ruine Wackerberg unter:
Wilhelm von Ameln gilt in Zeiten der Nahrungsmittel-Knappheit als "system-relevant", denn er züchtet Ziegen und Hühner, verkauft Eier, Ziegen-Milch und -Käse.
Als er auch noch eine "Bockstation" errichtet, die bei den Ziegen umliegender Landwirte für Nachwuchs sorgt, hat er seinen Spitznamen weg - die Eifler nennen ihn fortan den "Bitzen (=Ziegen) -König".
Von Ameln hatte seit 1937 in einer Jagdhütte am Urftsee unterhalb von Wollseifen gelebt und dort bereits eine Kleintierzucht betrieben. Im Sommer 1946 vertreiben die britische Streitkräfte die circa 500 Einwohner von Wollseifen, darunter auch Wilhelm von Ameln. Sie errichten auf dem umliegenden Gelände den Truppenübungsplatz Vogelsang, der vier Jahre später an die belgischen Streitkräfte übergeben wird.
Im heißen und trockenen Sommer 1947 (ja, auch das gab es damals schon) brennen in der Nordeifel und im angrenzenden Venn auf der belgischen Seite die Wälder. Die freiwilligen Feuerwehren aus Kall, Schleiden und Gemünd schaffen es, Haus Wackerberg vor den Flammen zu retten - Wilhelm von Ameln und seinen Ziegen bleibt ein erneuter Umzug erspart.
1950: Ein gutes Geschäft
Wilhelm von Ameln wird für die nächsten Jahrzehnte Eigentümer von Haus Wackerberg, er erwirbt Haus und Grundstück 1950 von der Kommunalverwaltung Schleiden zum Freundschaftspreis (nach heutigen Maßstäben) von 10.000 DM, rückzahlbar in Jahresraten von 1.000 DM ohne Verzinsung. Es sind umfangreiche Sanierungsarbeiten notwendig, auf eigene Kosten lässt er das Haus ans Strom- und Telefonnetz anschließen.
Ein besonders glücklicher Mensch scheint von Ameln nicht gewesen zu sein, eher verbittert: Das Leben als Landwirt in der Eifel ist mühsam, die EU noch nicht erfunden, es fließen also noch keine Agrarsubventionen aus Brüssel.
Vor allem hadert von Ameln mit Vertreibung und der entschädigungslosen Enteignung seiner früheren Behausung. Er entwickelt sich zum politischen Aktivisten und polemisiert regelmäßig in der Lokalpresse gegen den Treppenübungsplatz und später gegen die deutsche Wiederbewaffnung und den Aufbau der NATO.
1953: Parteizentrale Wackerberg
Seinen Zeitgenossen gilt von Ameln als Sonderling und als Kommunist. Er tritt auf "Friedenskongressen" in diversen Ostblock-Ländern auf und wird dort als "guter Deutscher" herumgereicht, der sich entschieden gegen Imperialismus und Kapitalismus wendet.
Er spricht im tschechischen und ostdeutschen Rundfunk und organisiert Reisen von Delegationen in die damalige Sowjetzone. 1953 war er nach einem Aufenthalt in Prag sogar Gast der Volksrepublik China.
Im selben Jahr gründet er die Partei "Bund der Deutschen" und kandidiert für den Bundestag, später für den Landtag in NRW.
Der politische Erfolg bleibt aus - ein Mandat kann die neue Partei nicht erringen.
1985: Neuer Glanz
Nach dem Tod von Amelns Mitte der siebziger Jahre können seine Witwe und die beiden Söhne den landwirtschaftlichen Betrieb nicht mehr fortführen. Sie ziehen in ein Kaller Neubaugebiet und teilen Haus Wackerberg in mehrere Ferien-Apartments auf.
Schon zu diesem Zeitpunkt ist das Haus nicht mehr in bestem Zustand, jetzt werden fast ein Jahrzehnt lang keine Instandsetzungs- oder Modernisierungs-Maßnahmen mehr vorgenommen. Schließlich wird Haus Wackerberg 1985 an zwei Familien verkauft, die das Gebäude rundum sanieren:
Türen und Fenster werden ausgetauscht, die Strom-, Heizungs- und Sanitär-Installation komplett neu aufgebaut, alle Fußböden neu eingezogen, der Dachstuhl und die Außenfassade gedämmt und vieles mehr. Die historische Anmutung bleibt erhalten, aber das "Innenleben" ist jetzt auf einem modernen Stand.
1990: "Wiebke"
Beim Orkan "Wiebke", der in der Nacht auf den 1. März 1990 mit einer Geschwindigkeit von über 200 km/h West- und Mitteleuropa überquert, bleibt das Haus selbst unbeschädigt, während auf dem Wackerberg große Waldflächen umknicken und für die nächsten Tage praktisch alle Wege unpassierbar machen.
1990 bleibt als Jahr der Orkane in Erinnerung, denn vor "Wiebke" hatten schon "Daria", "Herta" und besonders "Vivian" gewütet. Letzterer Orkan führte zur Absage zahlreicher Karnevalsumzüge, so etwas vergessen Rheinländer und Eifler nicht so schnell.
Irgendwie ist es trotzdem noch "die gute alte Zeit":
Wetterberichte kommen ohne ständigen Verweis auf den Klimawandel aus, und alle Stürme tragen weibliche Vornamen...
2005: Nationalpark Eifel
Ein großer persönlicher Triumph wäre für Wilhelm von Ameln die Aufgabe des Truppenübungsplatzes Vogelsang und seine anschließende Umwandlung zum ersten Nationalpark für Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2005/2006 gewesen.
Auf einer Fläche von 110 qkm sind jetzt ausgedehnte Wälder und Offenlandschaften auf dem Weg zurück zur Wildnis. Der Nationalpark verzeichnet bis zu 1 Million Gäste im Jahr und hat sich in kurzer Zeit zu der Top-Destination der Nordeifel entwickelt. Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm inkl. Ranger-Touren und zwei multimedialen Dauerausstellungen (u.a. über die historische Bedeutung der "NS-Ordensburg Vogelsang") rundet das Angebot ab.
Vom Wackerberg aus gesehen beginnt der Nationalpark direkt jenseits des Urfttals, nur wenige km Luftlinie entfernt; mit dem PKW erreichen Gäste das Besucherzentrum IP Vogelsang in knapp 20 min.
2010: Windkraft im Wald?
Mit Unterstützung der Grünen im Kaller Gemeinderat plant Bürgermeister Herbert Radermacher die Ausweisung einer "Windkraftkonzentrationszone" - nur ein paar hundert Meter südwestlich vom Haus Wackerberg.
Es war ihm offenbar entgangen, dass das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) eine ganze Reihe von erhaltenswerten Biotopen auf dem Wackerberg bestimmt hat.
Auf der Karte der unzerschnittenen verkehrs-armen Räume (UZVR) ist er in der dritthöchsten Größenklasse (10 - 50 qkm) eingetragen; geschützte Tierarten wie die Bechstein-Fledermaus und der Rotmilan werden hier immer wieder gesichtet.
Damit steigt das Risiko eines negativen Umweltverträglichkeits-Gutachtens für potentielle Investoren, der Vorstoß scheitert.
2018: Dreharbeiten »Allmacht Amazon«
An einem Tag in einer nicht allzu fernen Zukunft: Eine Drohne kreist über dem Wackerberg. Direkt vor der Haustür setzt sie ein Paket ab – eine Amazon-Sendung für Julia. Die junge Frau bringt das Paket, das sie nicht bestellt hat in die Wohnung, öffnet es und findet darin Baby-Utensilien. Ja, Julia ist schwanger. Und Amazon wusste es - vor ihr!
Mit dieser Fiktion starten die WDR-Autoren Martin Herzog und Marko Rösseler ihre Dokumentation über den Online-Händler Amazon, der weltweit mehr als 300 Millionen Menschen gleichzeitig beobachten, vergleichen und analysieren kann und seinen Gründer Jeff Bezos zeitweise zum reichsten Mann der Welt gemacht hat.
Der Film wird 2018 gedreht, knapp fünf Jahre vor dem Beginn des Hypes um die Künstliche Intelligenz (KI). Die Autoren haben also Weitsicht bewiesen – mit einer Ausnahme: Die Amazon-Sendungen werden heute mmer noch mit den klassischen Paketdiensten auf den Wackerberg geliefert und nicht per Drohne.
Eigentlich schade!
2020: Highspeed Internet
Rund 30 Millionen Euro haben sie in die Hand genommen - der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und der Kreis Euskirchen - um schnelles Internet per Glasfaser auch in die entlegensten Teile der Eifel zu bringen, bis hinauf auf den Wackerberg. Die Deutsche Telekom war im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens Ende 2018 ausgewählt worden, rund 519 Kilometer Glasfaserkabel zu verlegen.
Obwohl Ende Januar 2020 die notwendigen Anschlüsse im Haus Wackerberg installiert sind, dauert es noch einmal neun Monate, bis der Breitband-Betrieb (bis 1 Gbit/s) im Oktober tatsächlich aufgeschaltet wird. Massive Beschwerden lässt die Telekom ins Leere laufen, eine geplante Pressekonferenz mit dem NRW-Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, Prof. Andreas Pinkwart, zur GigaBit-Initiative des Landes muss abgesagt werden.
Erst eine ganzseitige Veröffentlichung im Kölner Stadtanzeiger und in der Kölnischen Rundschau (Serie "Ärgernis") bringt den notwendigen Schwung in die Konzern-Bürokratie, plötzlich geht alles ganz schnell…
Deutlich reibungsloser verläuft im selben Jahr Montage und Anschluss einer 10kW-Photovoltaik-Anlage, die inzwischen einen erheblichen Teil der Stromversorgung von Haus Wackerberg sicherstellt.
Quellen: F.A. Heinen, Schleiden; Hubert Püth, Kall; Wikipedia